Mainspitze – Harald Sapper – 06.03.2023
Auch Sportvereine im Kreis Groß-Gerau haben Probleme, Nachwuchs für Vorstandsposten zu finden KREIS GROSS-GERAU.
Immer mehr Sportvereine stehen vor einem großen Problem: Sie finden kaum noch Nachfolger für die Vorstandsarbeit und vor allem keine jüngeren Leute, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Eine fatale Entwicklung, denn dadurch überaltern die Vorstände der Klubs auf Dauer, und im schlimmsten Fall könnte dies das Aus für den betreffenden Verein zur Folge haben. Solche Szenarien sind auch Udo Ahlheim bekannt. Und deshalb haben sich der Vize- Vorsitzende des Sportkreises Groß-Gerau und seine Mitstreiter in der Führungsriege dieser Dachorganisation von 250 Vereinen und 82.000 Sportlern aus dem Kreis Groß-Gerau schon seit geraumer Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie es gelingen kann, jüngere Leute für die Mitarbeit im Verein zu begeistern. Eine Erkenntnis laut Ahlheim: „Man muss die Leute über niederschwellige Tätigkeiten langsam an größere Aufgaben heranführen. Denn wenn ich jemanden gleich frage, ob er Lust hat, Schatzmeister zu werden, wird er dies mit ziemlicher Sicherheit ablehnen.“ In „seinem“ Verein – Ahlheim ist auch Vorsitzender des SV Crumstadt – wurde deshalb ein Volontärssitz im Hauptvorstand eingeführt. „Junge Leute unter 30 können da erst mal in die Vorstandsarbeit reinschnuppern, ohne wirklich Verantwortung übernehmen zu müssen“, erläutert der Funktionär im Gespräch mit der Redaktion diesen Ansatz. Erst im Anschluss würden sie gefragt, ob sie richtig einsteigen wollen. „Und da haben wir bislang noch kein Nein gehört“, so Ahlheim. Seiner Ansicht nach müssten zudem die Strukturen in den Vereinsvorständen verändert werden: „Die sind heute noch so wie nach dem Krieg und daher nicht mehr zeitgemäß.“ Ein Vorstandsposten sei kein Einzelkämpfer- Job, sondern die Arbeit müsse auf mehrere Schultern verteilt und dabei auf die Qualifikation sowie die Interessen der Betreffenden geachtet werden. Das erläutert Ahlheim an folgendem Beispiel: „Ich habe einen jungen Mann aus unserem Verein gefragt, ob er sich in unserem Gremium für Veranstaltungen engagieren wolle. Er bejahte dies, weil er Eventmarketing studiere. Das war natürlich ein echter Glücksgriff.“ Positive Auswirkungen verspricht sich der SVC-Vorsitzende auch vom Projekt „DemoS! – Sport stärkt Demokratie“ der Sportjugend Hessen. In dessen Rahmen haben sich in der vorigen Woche Vertreter des Crumstädter Vereins und der SKG Erfelden zu einem dreieinhalbstündigen Austausch getroffen. „Da ging es darum, wie man die auch bei uns vorhandenen Probleme beim Ehrenamt durch eine engere Kooperation beider Vereine überwinden kann“, berichtet Ahlheim. Angedacht sei etwa eine gemeinsame Geschäftsstelle sowie Spielgemeinschaften im Tischtennis oder Handball (hier auch noch mit TSV Goddelau und TV Erfelden). „Dadurch käme es zu Synergien, und man bräuchte weniger Personal in den Vorständen“, betont der Vorsitzende. Eine Fusion sei nicht angedacht, „denn wir wollen die Identität beider Vereine auch in Zukunft wahren“. Ziel müsse es aber sein, „dort, wo es sinnvoll ist, etwas gemeinsam zu tun, anstatt wie bisher separat vor sich hinzuwurschteln“. Beim Landessportbund Hessen (lsb h) sind die Probleme vieler Vereine in Sachen Gewinnung von Ehrenamtlern für die Vorstandsarbeit zwar bekannt, doch spricht Pressereferentin Isabell Boger von einem uneinheitlichen Bild: „Es gibt auch Vereine, die sehr gut aufgestellt sind.“ Klar sei aber, „dass Ehrenamtliche selten vom Himmel fallen“. Daher rate der lsb h jedem Verein zum Aufbau eines Freiwilligenmanagements. „Man muss sich frühzeitig und stetig darum bemühen, Menschen für eine Mitarbeit im Verein zu begeistern“, betont Boger gegenüber dieser Zeitung und erinnert daran, dass der Einstieg meist über weniger komplexe Formen des Engagements erfolge: Zum Beispielüber die Mitarbeit in einem Juniorteam, den Einsatz als Helfer, Übungsleiter oder Trainer sowie die Übernahme von kleineren Aufgaben. Der Landessportbund hat nach Darstellung seiner Pressesprecherin einige Handlungsempfehlungen für Vereine zur Gewinnung von Ehrenamtlichen erarbeitet. Dazu zähle neben dem kontinuierlichen Freiwilligenmanagement eine angemessene Dankeskultur. „Dabei geht es darum, die aktiven Ehrenamtlichen wertzuschätzen, indem man beispielsweise ein Helferfest veranstaltet, mit einheitlicher Vereinskleidung ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt, sie nicht allein lässt und ihre Probleme ernst nimmt“, so Boger. Wenn eine sehr engagierte Person ihren Rückzug aus dem Vorstand ankündige, sollte ihren Worten zufolge darüber nachgedacht werden, die Aufgaben auf mehrere Leute zu verteilen. „Das ist meist weniger abschreckend und überlastet den Einzelnen nicht“, erläutert die Pressereferentin. Und weil jüngere Menschen kein Verständnis hätten, „wenn in einem Verein noch wie vor 40 Jahren gearbeitet wird, sollten Klubs prüfen, wo eine Anpassung ihrer Arbeitsweise sinnvoll ist“.